Nachhaltig gut leben: Digital?

BaWü auf dem Weg zu nachhaltiger Digitalisierung

Unser Alltag ist digital – und wird noch digitaler. Das betrifft sowohl unser privates wie berufliches und auch gesellschaftliches Leben. Digitalisierung birgt Chancen, aber auch Risiken. Bei der Ausgestaltung müssen wir daher soziale und ökologische Aspekte mitberücksichtigen.

  • Doch wie sieht diese nachhaltige Digitalisierung konkret aus? 
  • Welche Kriterien müssen wir ihr zu Grunde legen? 
  • Welche gesellschaftlichen Ziele streben wir an?  

Am 16. Juli 2021 standen diese Fragen im Fokus des Stakeholderdialogs (Interessengruppen im Gespräch) „Nachhaltige Digitalisierung – Nachhaltig gut leben: Digital?“.

Themenschwerpunkte

1. Soziale Medien: Mehrwerte für die Klimakommunikation

Akzeptanz und Vertrauen in die Inhalte steigen, wenn mit den Sendenden einer Information eine persönliche Beziehung besteht, Identifikation möglich ist oder die Sendenden glaubhaft und vertrauenswürdig erscheinen. Akzeptanz und Vertrauen sind daher bei Social Media besonders ausgeprägt.  

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Video: © Umweltministerium Baden-Württemberg

Algorithmen beeinflussen Informationsfluss in Internet und sozialen Medien 
Dies hat zur Folge, dass hauptsächlich Informationen angezeigt werden, die die Nutzenden interessieren oder mit denen sie sich identifizieren. Andere Meinungen und Ansichten, die gegenläufig zu diesen Werten und Einstellungen sind, tauchen nur noch bedingt auf. Allerdings sieht Umweltpsychologin Vivian Frick hierin keine Gefahr, da die Wirkung der sozialen Medien überschätzt werde. Denn die Aufnahme von Informationen laufe auch über soziale Kontakte (Freunde und Familie), das Radio und Zeitungen. So ergebe sich ein durchaus differenzierteres Meinungsbild.

Chancen und Risiken für die Klimakommunikation
Starke Bilder oder Videos könnten eher emotionalisieren als ein Zeitungsartikel oder ein Buch. Und sie erzielten schnell eine hohe Reichweite. Die Aufmerksamkeit könne so auf ein bestimmtes Thema gelenkt werden und Menschen zu konkreten Handlungen motivieren.

Fridays for Future etwa sei es gelungen, mit Bildern und Videos von jungen demonstrierenden Menschenmassen das Thema Klimaschutz zur obersten Priorität der globalen politischen Agenda zu machen. Auch beim Kampf gegen Plastikmüll gäbe es ähnliche Erfolge. Die über die sozialen Medien geteilten Videos und Bilder von Tieren, deren Gesundheit und Leben durch im Meer herumschwimmende Plastikteile gefährdet ist, würden Millionen Menschen sehen. Die hervorgerufene Empathie hätte die Politik dazu bewegt, die negativen Auswirkungen wahr- und ernstzunehmen und den Plastikkonsum einzuschränken.

„Die Aufmerksamkeitsökonomie, die den Sozialen Medien zu Grunde liegt, führt allerdings auch dazu, dass besonders stark emotionalisierende Themen andere Themen aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen“, so Kerstin Fritzsche.

So seien Berichte zum Artenschutz oder zur Biodiversität meist nur dann konkurrenzfähig, wenn es gelänge eine aufmerksamkeitserregende Bildsprache zu finden.

2. Big Data: Bewusste Anwendung für eine zukunftsfähige Gesellschaft

Wir hinterlassen im Netz Daten und geben somit Informationen über uns preis,

  • sobald wir im Web surfen
  • über digitale Messenger kommunizieren
  • smarte Endgeräte nutzen
  • digitale Servicedienstleistungen nutzen

Digitale Grundbildung ist essenziell
Menschen machten sich in ihrem Alltag zu selten Gedanken darüber, so Kerstin Fritzsche vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), für welche Zwecke ihre Daten analysiert und verwertet werden. Viele Bürgerinnen und Bürgern ständen dem Sammeln und Auswerten personenbezogener Daten auch deshalb gleichgültig gegenüber, weil sie für sich persönlich keine negativen Konsequenzen erwarteten.

Diese Haltung sei unbedingt zu überdenken, so Fritzsche. Jeder Mensch besitze Informationen, die dringend geschützt und privat bleiben müssten – etwa Gesundheitsdaten. Um im Alltag bewusste Entscheidungen hinsichtlich des Datenschutzes treffen zu können, sei eine digitale Grundbildung für unsere Gesellschaft essenziell. 

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Video: © Umweltministerium Baden-Württemberg

Daten – Gold des digitalen Zeitalters
Ökologisch bedenklich sind Technologieunternehmen, die personenbezogene Daten auswerten, um einen Mehrkonsum von Produkten oder Dienstleistungen anzustreben. Fünf der sieben wertvollsten Unternehmen der Welt sind in der Technologiebranche angesiedelt. Daten sind Gold wert. 

Personenbezogene Daten sind nützlich für die Verwaltung
Ein sinnvoller Umgang mit Daten kann für die Entwicklung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft eine wichtige Funktion erfüllen. Beispielsweise können mittels Stromverbrauchs- und Mobilitätsdaten von Einzelpersonen Infrastrukturen so geplant und genutzt werden, dass es gelingt den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Du kannst Dich schon heute beteiligen! Sammle Umweltdaten und unterstütze das Umweltinformationssystem Baden-Württemberg

Fazit: Regeln und gesellschaftliche Auseinandersetzung
Die Nutzung von Big Data – also die Auswertung großer Datenmengen – bedarf der Regelung, um unerwünschte Wirkungen abzuwenden, zugleich aber zukunftsweisende Anwendungen zu ermöglichen. Ein gesellschaftlicher Diskurs wird daher klären müssen, welche Ziele mit der Nutzung von Daten erreicht werden sollen. Die digitale Mündigkeit einer*s jeden Einzelnen ist hierfür unabkömmlich – beispielsweise sind Social-Scoring-Systeme, wie sie u.a. in China zur Anwendung kommen, unbedingt zu verhindern.

„Es darf nicht sein“, sagt Staatssekretär Dr. Baumann, „dass bestimmte Vorzüge und Dienstleistungen nur dann zur Verfügung gestellt werden, wenn das soziale Verhalten mit den Vorgaben von Regierungen übereinstimmt.“

3. Onlinemarketing: Einfluss auf unser Konsumverhalten

Durch die Globalisierung und Digitalisierung ist der Markt komplexer und unübersichtlicher geworden. Wer derzeit wirklich nachhaltig konsumieren möchte, muss sich zunächst aufwändig darüber informieren, welche Produkte genau welchen Standards entsprechen. Zudem irreführend sind Werbung und damit Onlinemarketing, die den Zweck verfolgen, Einfluss auf unser Handeln und unseren Konsum zu nehmen.

Onlinemarketing trage dazu bei, so Umweltpsychologin Frick, den Konsum-Prozess zu vereinfachen. Produkte würden beim Surfen nicht nur sehr passgenau angezeigt, sondern auch die Möglichkeit des Preisevergleichs führe dazu, immer mehr zu konsumieren.

„Aktuell besteht das Internet weitestgehend aus kommerziellen Inhalten, die eine Konsumsteigerung beabsichtigen.“

Dem steht die Idee eines gemeinwohlorientierten Internets gegenüber, das Themen rund um die Nachhaltigkeit zusammenführt und dem Gedanken einer suffizienten Gesellschaft nicht widerspricht, in der das eigene Konsumverhalten überdacht wird mit dem Ziel, möglichst wenig Rohstoffe und Energie zu verbrauchen.

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Video: © Umweltministerium Baden-Württemberg

Bund und Land wollen nachhaltiges Wirtschaften verbessern
Hierzu verabschiedeten sie im Juni 2021 das Lieferkettengesetz. Dieses soll verhindern, dass durch Unternehmen Menschenrechte verletzt und die Umwelt ausgebeutet werden. Digitale Technologien, wie die Blockchain (fälschungssichere Übermittlung von digitalen Daten), können bei der Einhaltung der Lieferkette unterstützen und eine sichere Übermittlung von Informationen gewährleisten.

Mit dem Förderprogramm „Digitalisierung & Ultraeffizienz“ unterstützt Baden-Württemberg die Herstellung von nachhaltigen Produkten. Ziel ist es, industrielle Produktion und Ressourcenverbrauch weitestgehend voneinander zu entkoppeln. Damit das gelingt, müssen Materialien und Energie so effektiv und effizient wie möglich eingesetzt werden. Den Schlüssel hierzu bieten moderne, digitalisierte Fertigungsverfahren und Prozesse.

4. Visualisierung: Akzeptanz für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen

Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer tendieren eher zu Dämmmaßnahmen, wenn Sie mit Hilfe einer Wärmebrille die energetischen Schwachstellen ihres Hauses in Echtzeit wahrnehmen. Fotos desselben Objekts, aufgenommen mit einer Wärmebildkamera, hätten gegenüber der Livesicht durch die Wärmebrille eine deutlich geringere Wirkung. 
Vivian Frick vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) verdeutlicht mit diesem Beispiel aus dem Bereich energetisches Sanieren, dass Visualisierungen dabei helfen, sich besser in Situationen hineinzuversetzen.

Simulieren der Optimierung von Prozesswärme
Visualisierung basiert auf Simulation. Simulationen sind oftmals sehr rechenintensiv und somit nicht selten mit einem hohen Stromverbrauch verbunden. Der Stromverbrauch der Rechenprozesse im Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) kommt etwa dem einer 40.000-Einwohner-Stadt gleich.

Dennoch hält Dr. Wössner vom HLRS den damit verbundenen Ressourcenaufwand ökologisch für gerechtfertigt. Rechner des HLRS simulieren beispielsweise die Optimierung von Prozesswärme (Wärme, die für technische (meist industrielle) Prozesse benötigt wird). Die dadurch gewonnenen energetischen Einsparungen übersteigen den Strombedarf der dafür notwendigen Rechenleistung deutlich. 

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Rechenzentren nachhaltiger ausrichten
Das Umweltministerium unterstützt eine nachhaltige Ausrichtung der Rechenzentren im Land. Das Projekt „Nachhaltige Rechenzentren“ widmet sich der Frage, inwieweit die Rechenzentren der Zukunft neben der effizienten Bereitstellung von Rechenleistung weitere Mehrwerte für eine nachhaltig wirtschaftende Gesellschaft liefern können. So kann Abwärme in Nahwärmenetze integriert und von Büros und Haushalten genutzt werden.

Doch nicht alle Simulations-Anfragen aus Forschung und Industrie bieten ökologisch betrachtet einen Mehrwert. Ein wissenschaftliches Gremium prüfe jeden Antrag auf Sinnhaftigkeit, technische Machbarkeit und Datenqualität. Erst wenn alle Prüfkriterien positiv ausfallen, darf auf den Computern des HLRS gerechnet werden.

Fazit

Es ist an der Zeit, die Digitalisierung auch bewusst und vorausschauend zu gestalten. Dazu müsste eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft entwickelt werden – basierend auf den Fragen:

  • Wie stellen wir uns ein „Gutes Leben“ vor?
  • Wie viel Digitalisierung soll damit verbunden sein?

Aufbauend auf einem gesellschaftlichen Konsens kann die Digitalisierung unter Beachtung der freiheitlichen Grundordnung als Grundpfeiler unserer Gesellschaft zielgerichtet und zum Nutzen aller eingesetzt und genutzt werden. Damit können Maßnahmen und Projekte in eine für die nachhaltige Entwicklung sinnvolle Richtung gelenkt und eine zukunftsfähige Gesellschaft aufgebaut werden.


Hintergrund

Die vom Beirat der Landesregierung für nachhaltige Entwicklung initiierte und vom Umweltministerium Baden-Württemberg durchgeführte Veranstaltung wurde im digitalen Talkrundenformat live im Netz übertragen und stieß dabei auf großes Interesse. Über 190 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich angemeldet, um die Diskussion zu verfolgen. Als Talkrundengäste waren geladen:

  • Dr. Andre Baumann
    Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
  • Vivian Frick
    Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin; Netzpolitik Bits & Bäume: Die Bewegung für Digitalisierung und Nachhaltigkeit; Sozial- und Umweltpsychologin
  • Dr. Ing. Uwe Wössner
    High Performance Computing Center Stuttgart (HLRS)
  • Kerstin Fritzsche
    Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), Berlin

Die Zuschauerinnen und Zuschauer konnten ihre Fragen digital an die Gäste richten und sich so an der Diskussion beteiligen. Die Teilnehmenden des Stakeholderdialogs kamen aus vielfältigen Bereichen. Anteilig vertreten waren Unternehmen mit 33 Prozent, Kommunen und der öffentliche Sektor mit 30 Prozent, Studierende mit 8 Prozent und weitere Akteursgruppen wie Initiativen, Vereine und Kirchen mit 29 Prozent.

Veranstaltungsreihe „Stakeholderdialog Nachhaltige Digitalisierung“

Die Digitalisierung hat ein neues Zeitalter eingeläutet, das unser privates, berufliches und gesellschaftliches Leben bereits grundlegend verändert hat und zukünftig noch weiter verändern wird. Ein gesellschaftlicher Wandel ist oft mit Risiken aber auch Chancen verbunden. Es ist offensichtlich, dass ein solcher Transformationsprozess gestaltet werden muss. Wir müssen die damit einhergehenden Herausforderungen aufgreifen und angehen.

Genau an diesem Gestaltungsprozess – bei der Frage nach dem „Wie“ – setzte unsere Veranstaltungsreihe „Stakeholderdialog Nachhaltige Digitalisierung“ an. Im Rahmen von zwei Veranstaltungen entwickelten wir gemeinsam mit Akteurinnen und Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik Visionen und konkrete Ansätze, wie die Digitalisierung für eine lebenswerte Zukunft genutzt werden kann. Eine Zukunft, die sich durch Ressourcenschonung, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Tragfähigkeit auszeichnet.

Der Fokus des Stakeholderdialogs lag auf der gesellschaftlichen Transformation, den der digitale Wandel angestoßen hat. Die zwei Veranstaltungen hatten zum Ziel Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu unterstützen, selbst einen Beitrag für eine nachhaltige Gestaltung zu leisten.

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