Voll beeinflusst – der Nachhaltigkeitsbericht von Mc King

Klar gibt es so etwas. Mc King* tut’s seit 2011. Jedes Jahr präsentiert das Fast Food Unternehmen einen neuen Nachhaltigkeitsbericht. Auch mir. In normalem Zustand wird mir schon übel, wenn ich in der Nähe der Burgerbraterei auch nur einatme. Aber tief in der Nacht, wenn die Seele vom Beat gezeichnet und der ausgepowerte Körper noch schnell nach Bissfestem verlangt, schnappt sich der Flexitarier in mir nen Cheesy oder zwei.  

Jedenfalls wache ich dann gegen später auf – neben einem auf Naturlook getrimmten Flyer. Und ja, allein durch die Aufmachung des Flyers bin ich überzeugt: Wow, Mc King scheint das nachhaltigste Unternehmen der Welt zu sein. 

„Jetzt dreht sie völlig frei.“ 

Mein Freund Rudi Django verlässt kopfschüttelnd den Raum. Kehrt aber wenig später zurück und reicht mir ein Science-Slam-Video. Zum Glück gibt es Sophie Hein, sagt er. Sophie ist Kommunikationsdesignerin und erzählt beim Science Slam wie Grafikdesign Unternehmen zu nachhaltigen Marken macht. „Einmal Pommes und einen Nachhaltigkeitsbericht mit viel Ethos zum Mitnehmen“, eröffnet sie ihren Beitrag. Ich fühl mich an gestern Nacht erinnert. 

„Alter“, sage ich zu Rudi, wenn auch mit leicht gebrochener Stimme, die mein Schuldbewusstsein offenbart, „kommst du mir jetzt mit Nachhaltigkeit. Ich kann den Begriff nicht mehr hören.“

Rudi gibt mir Recht, dass der Begriff leicht überstrapaziert ist – nicht zuletzt durch Unternehmen wie Mc King – verweist aber darauf, dass es im Konzept der Nachhaltigkeit um nichts anderes geht als die Überlebenschancen und die Lebensqualität der Menschheit jetzt und in Zukunft

Das sitzt. Sophie du hast das Wort. 

Einmal Pommes und einen Nachhaltigkeitsbericht mit ganz viel Ethos zum Mitnehmen, bitte!Ausgangssituation: Sophie ist Ausbilderin, das Publikum vor Ort und wir am Bildschirm schlüpfen in die Rolle von Praktikantinnen und Praktikanten. Ein Auftrag flattert herein. Der Kunde Mc King braucht einen neuen Nachhaltigkeitsbericht. 

Kurzbriefing

  • schicker Bericht, fancy Design
  • positive Darstellung der Bemühungen Mc Kings für eine nachhaltige Entwicklung
  • super glaubwürdig

Wozu braucht Mc King eigentlich einen Nachhaltigkeitsbericht?

Du und ich kaufen im Normalzustand nicht mehr einfach blind, was das Auge reizt – so wie gestern Abend den Cheesy. Vielmehr sind unsere Kaufentscheidungen moralisch und ethisch beeinflusst. So stecke ich gerade in dem Dilemma, ob ich meinen Besuch bei Mc King auf wewws.de überhaupt zugeben soll. – Zu spät. 

Mc King kommt durch unser Grübeln und unser schlechtes Gewissen gegenüber Freundinnen und Arbeitskollegen und vor allem gegenüber der Welt unter Druck. – Warum sollten sich in dem toten Wal, der vor zwei Wochen in Indonesien mit sechs Kilo Plastik im Bauch an Land gespült wurde, nicht auch einige Einweg-Verpackungen Mc Kings befunden haben?

Das Unternehmen steht also unter Deiner und meiner Beobachtung. Wir hinterfragen vor dem Kauf eines Burgers:

  • Was tut Mc King in Sachen Umwelt? 
  • Wie verhält es sich gegenüber Mitarbeiterinnen, Lieferanten, Rohstoff-Produzenten?
  • Werden mit den Gewinnen soziale Projekte unterstützt? 

Der Nachhaltigkeitsbericht Mc Kings soll genau diesen Beobachtungspunkten entgegenwirken. Er informiert über Maßnahmen, Ziele und Aktivitäten des ökologisch, ökonomisch und sozialen Handelns der Burgerei. Kurz: Der Bericht soll Vertrauen schaffen. Und das tut er in verschiedenen Formaten. Mich hat der Flyer überzeugt (grrrr). In der Filiale gestern hingen aber auch Nachhaltigkeits-Plakate, die in den Kunden-Köpfen bereits durch einen flüchtigen Blick eine positive Stimmung gegenüber Mc King auslösen. 

Ein echter Nachhaltigkeitsbericht als Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie richtet sich aber auch an potentielle „Groß“-Kritiker wie NGOs (Greenpeace, Brot für die Welt, Foodwatch…) und Gewerkschaften. Der Nachhaltigkeitsbericht dient dann zur Abwehr von Kritik und Risiko. Er tut dies dadurch, „dass in dem Bericht Risiken und Schwierigkeiten transparent und aus eigenem Antrieb kommuniziert werden.“

Sophie fasst die Aufgabe zusammen:
„Wir haben hier ein Unternehmen, das wie nur irgendwas weit weg ist von einem nachhaltigen Unternehmen, aber trotzdem einen halbwegs glaubwürdigen Nachhaltigkeitsbericht gestaltet haben will.“

Also los geht’s. Designen und beeinflussen wir. 

Wir machen uns an der Seite Sophies kurz Gedanken über eine durchgängige Designidee. Das ist einfach: Wir greifen Mythen und Gerüchte auf und widerlegen diese. Dazu schaffen wir mit Schriftart und Grafik einen Glaubwürdigkeitsunterschied zwischen Gerücht (wenig glaubwürdig) und Widerlegung (sehr glaubwürdig). In der Rhetorik, auch der visuellen Rhetorik, spricht man von Ethos. Ethos meint das Überzeugen mit Hilfe eines glaubwürdigen Charakters.

Zunächst zum Text.

Diesen hat der Kunde bereits geliefert.
Zeile 1, Gerücht: Die Pommes von Mc King sind aus Sägespänen.

Durch die Strategie, offen mit Kritik umzugehen und sie nicht zu verstecken, gibt der Kunde Schwäche zu. Das lässt ihn sympathisch erscheinen. 

Zeile 2, Widerlegung: Das wäre zwar auch vegetarisch, aber wir bleiben bei Kartoffeln. 

Humor (!) kommt ins Spiel. Das ist besonders beliebt, da es ebenfalls Sympathie und Wohlwollen erzeugt. Unsere Skepsis weicht zurück und Mc King erscheint glaub- und vertrauenswürdig. Und genau das ist ja das Ziel eines Nachhaltigkeitsberichts.

Dazu jetzt die passenden Schriften: 

Für das Gerücht wählen wir eine Schriftart, die aussieht wie handgezeichnet. Das zeigt den  persönlichen Charakter der Kritik, also die Wiedergabe der Meinung einer einzelnen Kritikerin. Für die Antwort hingegen greifen wir zu einer seriösen Schriftart. Diese betonen wir durch unterstreichen und anmarkern in Gelb. 

Das wichtigste Wort in der Antwort ist Kartoffel. Dieses heben wir nun visuell auf dem Rest der Seite hervor. Zunächst teilen wir den restlichen Text in zwei Spalten. In der linken Spalte platzieren wir die Infos zu den erklärungsbedürftigen Inhaltsstoffen: Salz und Traubenzucker. Diesem Text verpassen wir einen Hintergrund: Ein paar Kartoffeln kurz vor der Ernte und viel Erde, durch die sich ein sympathischer Regenwurm wühlt.   

In der rechten Spalte steht jetzt die genaue Zusammensetzung der Pommes in Prozentzahlen. Damit belegt Mc King, dass die Pommes nicht aus Sägespänen sind. Wir fügen Diagramme hinzu. Diese machen die Prozentzahlen visuell anschaulich. Die 87 % Kartoffelanteil sticht sofort ins Auge. Zudem hinterlegen wir die rechte Fläche mit Gelb. Wir wiederholen also die Farbe, mit der wir schon den Widerlegungstext markiert haben. Die gelben Elemente erhalten so mehr Aufmerksamkeit und erscheinen wichtiger und eindringlicher.

Vorstandsvorsitzende meldet sich zu Wort

Bei dem Text auf der linken Seite handelt es sich um ein Vorwort des Vorstandsvorsitzenden. Der Text wird lesbar durch die Wahl einer klaren Schriftart und einer geringeren Spaltenbreite. Sympathiepunkte bringen die direkte Anspreche. In diesem Fall nutzen wir eine handgezeichnete Schrift für uns und schreiben:   

Liebe Freunde,
Liebe Gäste,
Liebe Kritiker,

Hinzu kommt unter den Text die Unterschrift. Das demonstriert persönliche Involviertsein. Wir fügen noch ein Foto des Vorstandsvorsitzenden hinzu. Auf diesem hat er sich beim Essen bei Mc King fotografieren lassen. Das zeigt zum einen, dass er sich für das Unternehmen verbürgt, zum anderen, seine Identifikation mit den Produkten und dem Unternehmen. 

Das Bild hinterlegen wir mit der bekannten gelben Farbe. Das rahmt die Fläche ein, grenzt sie ab vom Text und es entsteht Spannung und Dynamik auf der Doppelseite durch eine Blickdiagonale mit den Flächen rechts unten.

Applaus. Praktikum bestanden. Danke Sophie.

Ich zieh mir die Decke über den Kopf und schäme mich für meine Leichtgläubigkeit. Nächstes Mal nehme ich ne Brotbox mit in den Club. Ich schwöre! 

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