Berlinreise Jugendbeirat 2014

Berlinreise Jugendbeirat 2014

Endlich war’s so weit: Die Jugendbeirat–Reise in die Bundeshauptstadt Berlin. Politisches Erleben, wie das Mitverfolgen der Diskurse wichtiger Politiker im Bundesrat, heiße Debatten im Bundestag und ein eindrücklicher Besuch im Kanzleramt und in der Landesvertretung BW standen auf dem Programm.

Echter Berliner Lifestyle konnte beim Besuch des Modelabels "Wertvoll“ und dem Besuch in Belins bekanntem mobilen "Prinzessinnen“-Garten erlebt werden.

Übernachtet haben wir im nachhaltigen Hotel "The Circus".

Hier gibts mehr Infos über das Erlebte:

Besuch im Bundestag

Mit dem Bus (der kurzfristig als Transportmittel für die Bahn einspringen musste) in Berlin angekommen, ging es zügig zum ersten Programmpunkt unserer Reise: Der Besuch im Bundestag. Nachdem wir mehrere Sicherheitskontrollen passiert hatten und unsere Taschen und Jacken an der Garderobe verstauten, nahmen wir auf der Besuchertribüne im Plenarsaal Platz. Wir hörten einen Teil der aktuellen Stunde, in der es um den Weltklimawandel ging, sowie die Diskussion und Abstimmung über eine Gesetzesänderung (Freizügigkeitsgesetz). Leider waren um die Nachmittagszeit nicht mehr viele Parlamentarier anwesend und durch mehrere Zwischenrufe der Mitglieder des Bundestages (MdB) während der Reden sah das Geschehen nicht allzu diszipliniert aus - inhaltlich jedoch ein sehr wichtiges und interessantes Thema. Auch die Abstimmung war unspektakulär, da hier der schon oft umstrittene Fraktionszwang sehr zum Vorschein trat. Die große Koalition lehnte den Antrag strikt ab, während die Opposition zustimmte, wobei es keine Abweichungen des Einzelnen gab.

Nach einer Stunde verließen wir wieder den Plenarsaal und machten uns auf den Weg zu einem Sitzungssaal, in dem uns MdB Herr Harald Ebner empfing. Hier hatten wir die Möglichkeit, den grünen Politiker alle Fragen zum Bundestag und seiner Arbeit zu stellen, die im Laufe des Tages aufgekommen waren. Herr Ebner selbst ist studierter Agraringenieur und derzeitiger Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Bündnis 90/Die Grünen. Im Bundestag ist er ordentliches Mitglied im Ausschuss Ernährung und Landwirtschaft, sowie stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Außerdem ist er Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung, sowie im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Wir diskutierten mit Herrn Ebner unter anderem über Gentechnik und Patentierung von Saatgut, Artenschutz im Zusammenhang mit regenerativen Energien (v.a. Windkraft), den Atomausstieg in Deutschland, den Lobbyismus und das Abstimmungsverhalten im Bundestag. Schnell wurde klar wie kompetent Herr Ebner in diesen Themen ist und welche Haltung er zu diesen Themen vertritt. Nachdem wir den Sitzungssaal nach anderthalb Stunden mit sehr viel Input verließen, machten wir uns auf den Weg in unser Hotel am Rosenthaler Platz, wo ein reichhaltiges und leckeres Abendessen auf uns wartete. 

Laura & Clara

Live bei der 927 Bundesratssitzung mit dabei

Am Freitagvormittag besuchte der Jugendbeirat den Bundesrat. Der Bundesrat ist eines der fünf ständigen Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland. Neben Bundespräsident, Bundestag, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht ist der Bundesrat als Vertretung der Länder das föderative Bundesorgan. Alle Länder sind hier unabhängig von ihrer Einwohnerzahl mit gleich vielen Stimmen vertreten. Im Bundestag konnten wir der 927. Sitzung des Bundesrats beiwohnen. Dort sahen wir auch unseren Chef, Herrn Untersteller bei den Baden-Württembergischen Landesvertretern sitzen. Anschließend konnten wir unsere Fragen an eine Mitarbeiterin des Bundesrats richten. So erfuhren wir, dass der Bundesrat gar nicht das verschriene Blockadeorgan ist, für das er immer gehalten wird. Nur 8% aller Gesetzesentwürfe wurde hier nicht zugestimmt.

Interessant ist auch, dass die Landesvertreter außer den Fahrtkosten keine Vergütung für ihren Sitz im Bundesrat erhalten. Nur der Vorsitzende des Bundesrats erhält eine Aufwandsentschädigung von 1023€ pro Monat. Insgesamt war der Besuch des Bundesrats sehr spannend und informativ.

Alex

Das Bundeskanzleramt

Vor unserem Eintritt in das Bundeskanzleramt am Freitag wirkte die ausladende, 90 Tonnen schwere Eisenskulptur des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida im Innenhof der Behörde daher politisch symbolträchtiger und aktueller denn je: Zwei Arme, stellvertretend für Ost und West, die sich annähern und teilweise berühren.

Um das Thema Annäherung in einem ganz anderen Bezug ging es - nach einer kurzen Begrüßung durch Frau Gerlinde Zimmer, Leiterin des Referats Familie, Senioren, Frauen und Jugend - auch im Gespräch mit Frau Monika Frieling vom Referat für Nachhaltige Entwicklung, das der Kanzlerin bei einschlägigen Fragen beratend zur Seite steht. Als große Herausforderung heutiger Politik stellt es sich nämlich dar, auch auf nationaler Ebene die Brücke zu schlagen zwischen den politischen Konzepten und der Jugend. Das „Wie“ der Kommunikation zwischen Theorie auf der einen und Einbeziehung junger Leute auf der anderen Seite stellt einen wechselseitigen Prozess dar, von dem alle profitieren können.

Diese gestalterische Beteiligung der Jugend ist ein wichtiger Weg, quasi eine Politik „von unten“. Denn wen betreffen politische Fragen der Zukunft mehr als die Jugend?

Julia & Simon

Die Baden-Württembergische Landesvertretung in Berlin

Berlin ist als politische Hauptstadt Sammelpunkt ausländischer Diplomaten und Vertreter von Verbänden und anderen Interessensgruppen. Wer genau hinsieht, dem fallen neben den prachtvollen Botschaften und Dependenzen die Landesvertretungen auf. Jedes der 16 Bundesländer hat eine eigene politische Vertretung in Berlin. In einer gemütlichen Weinstube erklärte uns Tobias Rohberg, der in der Landesvertretung für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zuständig ist, die Aufgaben der Landesvertretung. Die Landesvertretung ist quasi die Botschaft der Schwaben und Badener, von der aus die „Baden-Württembergische Außenpolitik“ nach Berlin getragen wird. Sie ist Aushängeschild des Landes für das Berliner Publikum. Außerdem ist die Landesvertretung das Parkett für politische Fragen, die unser Land betreffen und in Berlin verhandelt werden.

Durch Ausstellungen mit Bezügen zu Baden-Württemberg bereichert die Landesvertretung zudem die Berliner Museumslandschaft um unsere landesspezifische Sicht. Derzeit gibt es eine Ausstellung zum 1. Weltkrieg. Parlamentarische Abende bieten Politiker, Verbandsvertretern und zivilgesellschaftlichen Gruppen eine Plattform, auf der sie ihre Ideen und Positionen austauschen. Außerdem treffen sich hier die baden-württembergischen Politiker, die in Berlin die politischen Fäden ziehen. Jede Woche treffen sich die Landesgruppen der Bundestagsfraktionen. Seitdem bei uns der erste grüne Ministerpräsident ins Amt gekommen ist, treffen sich am Donnerstagabend vor der Bundesratssitzung alle grünen Landesregierungschefs, also Winfried Kretschmann und grüne stellvertretende Regierungschefs aus derzeit sieben Bundesländern. In dieser Runde wird das Abstimmungsverhalten der Grünen im Bundesrat koordiniert und parteistrategisches Vorgehen besprochen. Übrigens kann man im kleinen Hotelbetrieb der Landesvertretung auch übernachten und selbst diesen Ort der informellen Absprachen und modernen Architektur besichtigen. 

Simon & Nils

Elegant, fair, smart - Mode von "Wertvoll"

Nachhaltigkeit und Ökoklamotten sind peinlich oder unbezahlbar? Der Kleidungsladen „Wertvoll“ in Berlin wirbt vielversprechend mit Werten zum Wohlfühlen: Elegant, fair, smart: Die Mode von Wertvoll ist handwerklich perfekt, fair produziert und rundum ökologisch. Probiert selbst, wie aufregend es ist, das Richtige zu tragen! Und in der Tat sind die Kollektionen für Frauen und Männer abwechslungsreich und modisch. Eigentlich für jeden was dabei – außer für die mit einem kleinen Geldbeutel…

Normal aussehende Wollmützen kosten knapp 100 €, die restlichen Preisschilder traut man sich als Student kaum anzusehen. Bei unserem Besuch im Vorzeige-Ökoklamottenladen von Berlin sah das Verkaufspersonal beim Anblick so vieler Jugendlicher eher verschreckt aus - die tägliche Klientel kommt wohl eher aus anderen Alters- und Gesellschaftsschichten. Wir wollten vom Personal wissen, was genau hinter dem Öko-Konzept steht. Doch die Antworten waren eher vorhersehbar, es scheint als ob es bei dem Geschäftsmodell schon lange nicht mehr nur um die ursprünglichen Werte geht. Vielmehr wurde mit dem Angebot eine Marktlücke geschlossen. Vielleicht eine Lücke für reiche Menschen, welche ihr schlechtes Gewissen beruhigen.

Obwohl die Ware von „Wertvoll“ schön, fair, ökologisch, handgemacht, aus recyceltem Material ist – der Besuch des Geschäfts hinterlässt ein beklemmendes Gefühl. Nachhaltigkeit und „gute“ Kleidung scheint noch immer nicht in der Gesellschaft angekommen zu sein, da diese umzusetzen entweder uncool bleibt oder viel zu teuer ist. Die Schere zwischen Arm und Reich und das Loch zwischen gutem Willen und Möglichkeiten wird durch die Klamotten von „Wertvoll“ sichtbar. Selbstverständlich muss sich erst ein fester Markt für faire Ökoklamotten etablieren um anschließend Preise senken zu können, doch das größere Potential für junge Kundschaft steckt vielleicht doch eher in Second-Hand-Läden.

Lousia

Prinzessinnengarten: Ein Urban Gardening Projekt

Samstagvormittag besuchten wir das am Moritzplatz in Berlin Kreuzberg gelegene Urban Gardening Projekt „Prinzessinnengarten“. Auf einer Brachfläche von der Größe eines Fußballfelds wird dort seit 2009 gegärtnert. Da der Boden durch eine Schuttauflagerung unfruchtbar ist, wird in lebensmittelechten Plastikkisten das Gemüse angebaut. Somit kann auf unfruchtbarem Boden gegärtnert werden und der Garten ist allgemein mobil, falls der Nutzungsvertrag nicht verlängert werden sollte und der Garten umziehen müsste. Freiwillige können an Gartenarbeitstagen ihr Wissen oder Arbeitskraft mit einbringen. Das Gemüse wird nach biologischen Kriterien angebaut, ist aber nicht zertifiziert. Das Hauptaugenmerk des Gemüsebaus liegt nicht auf einem möglichst hohen Ertrag, sondern im Erhalt von Biodiversität, was bedeutet, dass 80 verschieden Tomatensorten angebaut wurden und eigenes Saatgut erzeugt wird. Das geerntete Gemüse wird entweder verkauft, an die Helfer abgegeben oder im angegliederten Gartenlokal verkocht. Die Gastronomie im Prinzessinengarten ist das Hauptstandbein des Gartens, um  die zu zahlende Pacht zu erwirtschaften. Im Garten gibt es neben dem Gemüsebau mehrere Bienenvölker, einen Fahrradwerkstatt und eine Projekt zum Re- und Upcycling.

Insgesamt wird im Prinzessinengarten Nachhaltigkeit als Graswurzelbewegung gedacht. Der Garten ist ein Ort des Lernens, Erfahrens, Ausprobierens und des Austausches. Hier wird ganz nach dem Motto „einfach machen“ gehandelt und die Ergebnisse sind beeindruckend. Nachdem wir eine Führung vom Mitarbeiter Felix durch den Garten bekommen hatten durften wir auch noch mit anpacken und mehrere Beete von vertrockneten Bohnenpflanzen befreien. Das abgestorbene Pflanzenmaterial wird natürlich kompostiert und so der Nährstoffkreislauf geschlossen. Wir wünschen dem Projekt weiterhin viel Erfolg, macht weiter so!

Felix

Hotel gleich Hotel? - Der Jugenbeirat kennt die Differenzen

„The Circus“ - das nachhaltige Hotel am Rosenthaler Platz - war für vier Nächte unser Schlafplatz in Berlin. Wir sind gespannt, als wir vor der Reise auf der Homepage des Hotels lesen, dass die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit im Haus nicht zu kurz kommen, denn:

  • Der Betrieb wird von seinen fünf Eigentümern geführt, die täglich im Betrieb mitarbeiten. Es sind keine Investoren im Spiel wodurch auch Entscheidungen im Sinne der Umwelt, der Gäste oder des Personals getroffen werden können, ohne direkte ökonomische Vorteile.
  • Die Handwerksbetriebe, die den Circus beliefern, kommen aus dem direkten Umkreis und sind alle klein und eigentümergeführt.
  • Das Hotel unterstützt lokale Projekte wie z.B. die Initiative „Rosenthaler Platz“

Auch aus ökologischer Sicht, waren wir begeistert:

  • 100 % Strom aus erneuerbaren Energien
  • Ausschließlich recyceltes Papier
  • Zeitschaltuhren für die Steuerung der Flurlichter
  • Wärme in Hotel und Apartments über ein Blockheizkraftwerk
  • Photovoltaikzellen auf dem Dach des Hotels
  • Durch ein überschaubares Frühstücksbuffet versucht das Hotel einer Verschwendung von Lebensmitteln vorzubeugen, also Qualität statt Quantität

Wir haben uns in unserem Hotel nicht nur sehr wohl gefühlt, sondern nebenbei auch unseren CO2-Ausstoß so gering wie möglich gehalten und erfahren, dass nachhaltiges Reisen nicht gleich Verzichten heißen muss. Unser Fazit:

Selbst auf kleinste Details wie z.B. Waffelschälchen für Marmeladen anstatt Glas, wurde geachtet.  Durch die extrem gute Anbindung an das Berliner Straßen- und U-Bahnnetz war die Benutzung eines Autos komplett überflüssig. Wir würden jederzeit wieder kommen! :-)

Cansel & Felix

 

Hierzu einige Impressionen in der Fotogalerie!

 

Fotogalerie
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Fotos: JIN

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